Gesungene Menschenrechte

"Sing Human Rights- Gesungene Menschenrechte"

In ein paar Monaten – am 10. Dezember 2018 – feiert die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ihren 70. Geburtstag. Formuliert als Antwort auf die Barbarei und Zerstörung des Zweiten Weltkriegs hält sie uns, den politisch Verantwortlichen und besonders den Vereinten Nationen den Spiegel vor. Und unerbittlich stellt sich die Frage: „Wie steht es mit der Umsetzung?“

Chorleiter Axel Christian Schullz aus Duisburg hat seinen eigenen Weg gefunden und die Chorbewegung „Sing Human Rights – gesungene Menschenrechte“ ins Leben gerufen. „Viele wussten, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte existiert, kannten aber nicht den Wortlaut.“ Erklärt er im Gespräch mit Renate Müller De Paoli. Und so begann er die Artikel zu vertonen und zum Mitsingen einzuladen.

Axel Christian Schullz
Axel Christian Schullz (Foto: Privat)


Herr Schullz, was bedeutet die Erklärung der Menschenrechte für Sie persönlich?

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) ist ein großartiges Dokument menschlichen Nachdenkens über die Art wie wir miteinander leben wollen. Vor allem der Gedanke, dass wir Menschen uns gegenseitig Rechte und Freiheiten zugestehen, und zwar jeder und jedem, finde ich sehr erbaulich. Keine äußere Macht hat diese Regeln diktiert, wir selbst haben sie uns gegeben, wir können darüber diskutieren, wir können sie ändern, wir müssen uns darüber verständigen. Der Gedanke, dass Menschen Menschen vor Menschen schützen, weil Menschen unmenschlich handeln können, ergreift mich, weil ich Teil der Gemeinschaft „Mensch“ bin.


Wann ist Ihnen die Idee gekommen, diese Erklärung zu vertonen? Was war der Auslöser für Sie?

Im Rahmen meiner Gospelarbeit mit Chören bekam ich häufig die Frage zu hören, ob es nicht auch Texte gäbe, die über Religions- und Kulturgrenzen hinaus Werte vermitteln. Das nahm ich zum Anlass danach zu suchen und fand die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. 2009 habe ich dann als erstes Artikel 1 als Kanon vertont und mit in die Chorprobe genommen. Der Erfolg war verblüffend: Viele wussten, dass die AEMR existiert, kannten aber nicht den Wortlaut. Mit dieser sanglichen Melodie hatten sie richtig Freude daran. Und auf dem Nachhauseweg wurde mir bewusst, dass jetzt alle meine Sänger/innen den Wortlaut von Artikel 1 auswendig wussten, weil sie ihn in der Probe mehrmals gesungen hatten. Deshalb habe ich das Projekt fortgesetzt.

Vor Jahren gelang es Stéphane Hessel, der nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Schritte der von der UN neu geschaffenen Menschenrechtskommission begleitete, mit seiner kleinen Schrift „Empört Euch!“ eine große Wirkung besonders unter jungen Menschen weltweit zu erreichen. Was wollen Sie mit dem Projekt und Chor „Sing Human Rights“ erreichen? Schwebt Ihnen auch eine Bewegung vor, die über Deutschland hinaus geht?

Wenn viele Menschen Menschenrechte singen, dann werden vielen dieser Menschen (hoffentlich) ihre Menschenrechte bewusst, und sie setzen sich (hoffentlich) verstärkt dafür ein – sowohl für sich selbst als auch für andere. Es würde mich sehr freuen, wenn meine Arbeit einen Anstoß in diese Richtung geben würde.


Wie gehen Sie das Projekt an? Wie sammeln Sie Menschen für den Projektchor? Wer kann oder darf mitsingen? Auf welche Resonanz stoßen Sie?

Wenn ich ein „Sing Human Rights“ Projekt durchführe, dann bewerbe ich das über meinen E-Mail-Verteiler und Facebook und alle sind herzlich eingeladen mitzusingen. Die Begeisterung für die Idee ist groß bei all denjenigen, die sich darauf einlassen. Viele scheuen (noch?) die Teilnahme, weil sie sich unter gesungenen Menschenrechten nichts vorstellen können. Manche halten gesungene Menschenrechte sogar für problematischer als z. B. gesungene Bibelverse, weil „Sing Human Rights“ eine „politische“ Botschaft hat. Dabei ist doch die AEMR die Grundlage der Vereinten Nationen, also der Weltgemeinschaft aller Menschen.

Menschenrechtschor Duisburg-Neumühl
(Fotos: Privat)

Wie sieht der „musikalische Werkzeugkoffer“ des Komponisten Axel Christian Schullz aus? Gibt es musikalische Vorbilder, die Sie in Ihrer Kompositionsarbeit bestärken und auf die Sie sich bei der Vertonung der Menschenrechtserklärung stützen?

Ich bin mit Popmusik aufgewachsen und habe klassische Komposition studiert. Das Eingängige und Mitreißende der Popmusik sowie die Komplexität und musikalische Vielfalt und Tiefe der sogenannten ernsten Musik begeistern mich gleichermaßen.
Musikalische Vorbilder habe ich keine. Ich vertraue meinem Gefühl und Ohr sowie meinem musikalischen Handwerk, lerne aber immer wieder gern Neues kennen und prüfe, ob oder wie ich es verwenden möchte.



Der Originaltext der Menschenrechtserklärung kommt ja z.T. in seinen Artikeln sprachlich sehr sperrig daher? Verändern Sie viel am Text?

Zum einen empfinde ich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte viel weniger sperrig als manche anderen Rechtstexte, dennoch ist sie keine Lyrik. Trotzdem verändere ich nichts am Text. Einzig verdoppele ich z. B. bei Aufzählungen den Text wie bei Artikel 26.
Original: [...]Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung.[...]
Meine Veränderung: [...]Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten die grundlegende Bildung.[...]
Mir ist es wichtig, den Text originalgetreu zu lassen. Meine Musik ist meine Interpretation der Texte.

Wie viele Artikel haben Sie inzwischen vertont?

Bis Juli 2018 habe ich gut 20 unterschiedliche Artikel vertont, manche aber auch in mehreren Fassungen, z. B. in verschiedenen Sprachen.


In diesem Jahr jährt sich die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum 70. Mal. Am 10. Dezember 1948 wurde sie als Antwort auf die Barbarei und Zerstörung des Zweiten Weltkriegs formuliert. Wie sehen die Pläne für 2018 aus? Wo wird der Chor „Gesungene Menschenrechte“ zu hören sein?

Für den 70. Geburtstag der AEMR gibt es noch keine konkreten Pläne. Zum 75. jedoch schon. Bis dahin komponiere ich ein abendfüllendes Werk für Chor und Orchester, der Text ist die englische Fassung der AEMR. Dann sollen 75 Chöre in 75 Konzerten an 75 Orten die Erklärung musizieren und als Abschluss gibt es eine Aufführung in der Generalversammlung der UN in New York mit internationalem Chor und Orchester sowie Live-Streaming im Internet, so dass jede/r gleichzeitig von Zuhause aus mitmusizieren kann.


Herr Schullz wird danken Ihnen.

Vita: Axel Christian Schullz


Der freiberufliche Musiker Axel Christian Schullz hat klassische Komposition an der Folkwang-Hochschule Essen studiert. Anschließend hat er sich als Gospelchorleiter und Workshopreferent bundesweit einen Namen gemacht. Für seine vornehmlich deutschen Songs gründete er den GNGP-Verlag. Als freier Musikpädagoge und YouTuber ist er Fachmann für Relative Solmisation. Seit 2009 vertont er die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und stellt diese Songs kostenlos auf www.sing-human-rights.org zur Verfügung. Für sein Projekt "Sing Human Rights" gründete er 2015 die gemeinnützige Singing Rights gUG.

Axel Chr. Schullz hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie in Duisburg.


Geschrieben von Renate Müller De Paoli
Dienstag, 10. Juli 2018

"Sing Human Rights- Gesungene Menschenrechte"

Interview mit Axel Christian Schullz, Chorleiter und Initiator von
"Sing Human Rights - gesungene Menschenrechte"

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