Kestnergesellschaft: Bookmarks

Wissenswelten von der Keilschrift bis YouTube

„Das Ende der Kreidezeit soll in Deutschland eintreten!“ so lautet der Vorstoß vieler Schulexperten. Gemeint ist das Ende der grünen Tafel und des mit Kreide schreibenden Lehrers und Schülers. Also kein Tafelwischen und kein Kreidekratzen mehr in den Schulzimmern. Stattdessen das White board, die saubere elektronische Tafel gekoppelt mit dem PC. Die Debatte läuft und ist natürlich auch eine Finanzierungsfrage. In England hat die Veränderung in vielen Schulen bereits stattgefunden.

Selbst wenn die Ausstellung in der Kestnergesellschaft Bookmarks – Wissenswelten von der Keilschrift bis YouTube nicht in direktem Zusammenhang mit der Kreide-Tafel-Diskussion steht, zeigt sie doch den Paradigmenwechsel in der Wissensproduktion. Sie beleuchtet weltweit, wie es in der Pressemitteilung heißt, „als erste Ausstellung das aktuelle ästhetische Phänomen YouTube, eingerahmt von den wertvollsten Büchern und Schriften der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB), die größtenteils erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.
... Als Forum des kommunikativen Transfers zwischen Kunst, Kultur und Publikum wird eine Laborsituation errichtet, in der Partizipation und Ästhetisierung im Hinblick auf heutige und historische Wissensproduktion vielgestaltig untersucht und erfahren werden können.“ Es geht also um die Gegenüberstellung alter und neuer Wissensspeicher. Wobei neben den Vorzügen der internetbasierten Informationsentwicklung, wie z.B. YouTube, Fragen nach geistigem Eigentum, Copyright, Authentizität etc. diskutiert und geklärt werden müssen. Begleitende Vorträge vermitteln hier interessante Denkanstöße.

„dass ein jeder versteht, was er vermag, und vermöge so viel als er versteht“ wird Gottfried Wilhelm Leibniz zitiert und quasi als Motto gleich zu Beginn dem Besucher mit auf den Weg gegeben.
Erstaunliches zeigt sich dann in dem Prozess der Wissensproduktion und - speicherung über die Jahrhunderte: eine assyrische Keilschrift aus dem 8-7 Jahrhundert v. Chr., Monseer Fragmente aus der „Karolinigschen Renaissance“ um 800 ebenso wie die Biblia Sacra, Anfang 13. Jahrhundert oder die Bibel in tamilischer Sprache, um 1714 von dem Missionar Bartholomäus Ziegenbalg an der Südostküste Indiens aus dem portugiesischen übertragen. Die vor Ort ansässigen Europäer versuchten, seine Arbeit zu boykottieren und verweigerten ihm Papier. So schrieb er zunächst auf getrockneten Bananenblättern.

  • Englische Bibel, 18. Jhd.
  • Das Buch Esther, Anfang 17. Jhd., Pergamentrolle, ca. 7,3 m
  • G. W. Leibniz, Neujahrsbrief an Hzg. Rudolf August von Wolfenbüttel, 12.Januar 1697
  • Vier-Spezies-Rechenmaschine, Gottfried Wilhelm Leibniz, 17. Jhd.

Ausgestellt ist auch eine Karte des nördlichen Sibirien, 1729. Sie zeigt den Verlauf von Berings erster Kamtschatka-Expedition. Ausgelöst wurde diese Forschungsreise durch Leibniz. Denn bei einem Zusammentreffen mit dem russischen Zaren Peter dem Großen 1716 in Bad Pyrmont interessierte Leibniz eine mögliche Landverbindung zwischen Asien und Amerika. Zum ersten Mal zeigt die GWLB Teile des Nachlasses des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz. Mehr als 200.000 Manuskripte, darunter 15.000 Briefe mit über 1.000 Briefpartnern weltweit, befinden sich im Leibniz-Nachlass.

U.a. ist der berühmte Neujahrsbrief vom 12. Januar 1697 zu sehen. Ohne diesen Brief wäre die Nutzung von YouTube möglicherweise nicht möglich geworden. Denn in diesem Brief entwickelt Leibniz das binäre Zahlensystem – ein Dualsystem auf den Zahlen 0 und 1 basierend. Auch seine Rechenmaschine um 1695 umgebaut ist ausgestellt – das einzige erhaltene Original von insgesamt vier gebauten Modellen.

Der Besucher kann sich also auf einzigartige Exponate freuen. Weitere Informationen über die Kestnergesellschaft, Goseriede 11, Hannover,
Tel. 0511 / 701 20 0


Bildnachweis: Für alle Bilder dieser Seite gilt Copyright und Courtesy Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek - Niedersächsische Landesbibliothek. Veröffentlichung ausschließlich im Rahmen der Berichterstattung über die Ausstellung gestattet.


Geschrieben von Renate Müller De Paoli
Donnerstag, 12. Februar 2009

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