Klangwelten - Interview mit Rüdiger Oppermann

Der Utopie auf die Beine helfen!

Nach einem Konzert von “Klangwelten” gab Rüdiger Oppermann, Gründer der Harfenistenvereinigung “Freundeskreis Harfe”, Convivio mundi e.V.ein Interview.

Oppermann selbst sieht sich als “Grenzüberschreiter”. Auf jahrelangen Reisen durch Afrika und Asien hat er Leben und Musik vieler Völker erlebt und begonnen, die “weit auseinanderliegenden Welten von improvisierter, durchstrukturierter und ethnischer Musik” zu verbinden.

Rüdiger Oppermann
Rüdiger Oppermann

CM: Herr Oppermann, ich habe das Konzert von “Klangwelten” auf Ihrer Tournee Anfang Dezember letzten Jahres in Hameln, der Rattenfängerstadt, gehört und war wie der Rest des Publikums fasziniert. Was ist die Idee dahinter? Sie sind doch der Erfinder der “Klangwelten”. Was meinen Sie, wenn Sie schreiben: “Der Utopie auf die Beine helfen!”

Oppermann: Ich meine damit, dass man nicht warten soll, bis vielleicht irgendjemand etwas beginnt, sondern dass man selbst etwas von den eigenen “utopischen” Ideen verwirklichen kann. Menschen aus verschiedenen Kulturen zu einem musikalischen Dialog auf hohem Niveau zusammen zu bringen, dafür die geeigneten Bedingungen zu schaffen, das ist meine Utopie. Und nun mache ich es einfach.

CM: Sie versuchen, eine Verbindung weit auseinanderliegender Musikstile z.B. unseres Eurasischen Kontinents in eine Einheit und Harmonie zu bringen. Das Programm in Hameln war gewissermaßen die jahrtausendealte “Seidenstrasse in Musik” gesetzt, von der Bretagne bis nach Korea, der Mongolei bis nach China mit einem Abstecher nach Marokko. Wir ziehen da an einem Strang. Convivio mundi möchte wie unser Name sagt, das Zusammenleben der Welt befördern. Wie entsteht ein Programm von “Klangwelten”?

Oppermann: Ich versuche, Stile zu kombinieren, die sich ergänzen, jeder Kultur auch eine bestimmte Rolle im Gesamtklang zu geben. Deshalb liegen die beteiligten Stile meistens weit auseinander. Zum Beispiel würde ich nicht zwei Trommelgruppen oder drei Solisten aus dem gleichen Land einladen. Die Balance zwischen Solostimmen und Begleitstimmen muss gut sein. So suche ich die Musikerinnen mit Bedacht zusammen, ich habe schon vorher eine -utopische- Vorstellung vom Zusammenspiel. Natürlich klappt das nicht immer. Ich reise viel und kontaktiere Leute auf der ganzen Welt. Die Planung geht Jahre voraus.

CM: Wie entdecken Sie Instrumente und Künstler? Es scheint sich ja für europäische Ohren und Augen eine völlig unbekannte Welt durch Instrumente wie z.B. die mongolische Pferdegeige oder die chinesische Griffbrett-Zitter, vielleicht das älteste Instrument der Welt, zu öffnen.

Oppermann: Wie gesagt, ich suche gezielt nach Musikern, bin aber vorher informiert, welche Stile wo gespielt werden. Es gibt auch unvorhergesehene Überraschungen. Mit manchen bin ich jahrelang befreundet, wie zum Beispiel Enkh Jargal (Epi), mit dem ich seit 12 Jahren spiele, und der auch bei uns 9 Jahre lang gewohnt hat. Mit Jatinder Thakur arbeite ich seit 25 Jahren.

CM: Enkh Jargal aus der Nord-Mongolei, also nahe der sibirischen Grenze, brachte nicht nur die Morin Khoor, die mongolische Pferdegeige, im Rhythmus des Pferdegalopps der Steppenreiter zu Gehör, er brillierte auch durch Gesang. Wie funktioniert diese mongolische Kehlkopf-Gesangtechnik, die die Stimme in diese unglaubliche, die Geister beschwörende Tiefe führt?

Oppermann: Es ist reine Übung, die auch Deutsche lernen können. Epi unterrichtet auch Deutsche. Nur Rachen- und Mundstellung und eine gewisse Entspannung sind bestimmend.

CM: Wie weit ist diese Musiktradition in den jeweiligen Ländern überhaupt noch lebendig? Sie haben, glaube ich, z.B. die Salmunori-Trommler aus Korea mit der Tradition unserer Spielmannszüge verglichen. Doch die Spielmannszüge in Deutschland sind rar geworden. Was sind Ihre Erfahrungen in Asien oder Afrika? Wie sieht das übrigens in Nord-Korea aus?

Oppermann: Spielmannszüge und Blaskapellen sind nicht rar geworden. Es gibt zehntausende davon.
Ich würde gerne wissen, was in Nordkorea los ist, es ist aber zu schwierig dorthin zu kommen. Aber für ein geplantes Projekt MUSIC >FROM THE AXIS OF EVIL werde ich hinfahren, wie auch nach Irak, Sudan, Iran, Lybien, Afghanistan.

CM: Wir hoffen für Sie und besonders die Menschen in diesen Krisengebieten, dass es Ihnen bald möglich sein wird. – Die Improvisation spielt für Ihre Arbeit eine große Rolle. In der kreativen Phase der europäischen klassischen Musik war die Improvisation genauso bedeutsam wie das gedruckte Werk, wenn sie an Beethoven denken. Würden Sie sagen, dass die Improvisation in den Kulturen ursprünglich immer den gleichen Stellenwert in der Musik hatte oder gibt es da Unterschiede? Was passiert bei der Improvisation?

Oppermann: An Beethoven? Ich würde da lieber an Barockmusik denken oder Orgelspiel in der Kirche oder traditionelle Musik. Der Stellenwert war früher hoch, und man sieht daran, wie der Typ “Mensch als Musiker” sich gewandelt hat. Heute sind eher gute, konservative Handwerker gefragt, früher waren Musiker eher künstlerische Typen, die von sich aus improvisieren wollten. Man kann das nicht unterrichten. Nur die Grundlagen dazu, und da sieht’s derzeit in der "Klassik" eher düster aus. Die Jazzer tun viel mehr dafür, obwohl es in diesem Stil auch den Typ des ausführenden Handwerkers braucht, der vom Blatt liest. Ich denke, im Moment sind wir in einer Wandlungsphase, und das Improvisieren wird allgemein wichtiger, auch im praktischen Leben.

CM: Man hat in China alte Glocken gefunden, die genau mit den 12 Halbtönen des europäischen Tonleiter-Systems klingen - hat insofern dieses "europäische" System und die Pentatonik immer parallel existiert? Haben Sie sich nicht viel mehr über die Jahrhunderte gegenseitig ergänzt und bereichert?

Oppermann: Das stimmt. Auch ich war darüber überrascht, und unsere chinesische Musikerin hat mir bestätigt, dass es in China früher alle Halbtöne gab, erst später zum diatonischen und danach zum Pentatonischen System gewechselt wurde. Es gibt also keine eindeutige Entwicklungslinie hin zu immer größerer Komplexität. Auch bei der Volksharfe ist das übrigens der Fall, machmal gehts auch rückwärts. Meine persönliche Überzeugung ist, dass das ursprünglichste System das der Obertöne ist und der daraus hergeleiteten Leitern, denn dies ist das einfachste System mit primitiven Instrumenten (Mundbogen, Überblasflöten und Trompeten)

CM: Es stimmt optimistisch, zu erleben, wie Musik Barrieren zwischen Kulturen überwinden kann und welch ein Dialog der Kulturen möglich ist. Herr Oppermann, wie sehen Ihre nächsten Pläne aus?

Oppermann: So weiter wie bisher reicht mir!
Nächstes Festival mit Musikern aus Tanzania, Gambia, Mongolei und Ungarn. Tanztheatermusik für RIGOLO Schweiz. Sommermusikfest im Sommer (www.klangwelten.com)


CM: Herr Oppermann, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Geschrieben von Renate Müller De Paoli
Montag, 21. Januar 2008

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