Kalèko-Ausstellung in Berlin

Sehenswert: Kalèko-Ausstellung in Berlin


Dass Berlin eine Reise wert ist, ist inzwischen keine große Neuigkeit. Das Literaturhaus Berlin hat das vielfältige Angebot nun Ende November durch eine Ausstellung zum 100ten Geburtstag der jüdischen Lyrikerin Mascha Kaléko um einen wichtigen und schönen Baustein bereichert. Jutta Rosenkranz, die rechtzeitig zum 7. Juni - dem Geburtstag der Dichterin – ihre Biografie “Mascha Kaléko” in den Buchhandel brachte, hat die Ausstellung liebevoll konzipiert und realisiert.

Private Fotos, die bisher im Literaturarchiv Marbach, das den Kaléko-Nachlass betreut, schlummerten, werden gezeigt zB.: Fotos aus ihrer Kindheit, mit ihrem Mann, Chemjo Vinaver, dem Musikwissenschaftler und Erforscher der chassidischen Synagogalmusik und von ihrem Sohn Steven, dem jungen talentierten Regisseur und Dramaturgen, der schon mit 23 Jahren am Berliner Schiller Theater Regie führte und 1968 -erst 31 Jahre alt - an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung starb - ein Schock, von dem sich die Eltern nie erholten.

Wichtige Originaldokumente beschreiben sehr einfühlsam den schwierigen Lebensweg dieser Künstlerin, deren erste Veröffentlichung “Das Lyrische Stenogrammheft” 1933 sofort zum Bestseller wurde. Im Oktober 1938 ging sie ins Exil nach Amerika und entging nur um Haaresbreite den Naziprogromen. Nach 18 Jahren kehrte sie zum Heine-Jahr 1956 nach Deutschland zurück, obwohl das Heimweh und die Sehnsucht nach Deutschland und der Sprache, in der sie dichtete, sie im Exil fast verzehrte. “Heimatlos” blieb sie auch in Jerusalem, in das sie Ende 1959 ihrem Mann zuliebe übersiedelte.

Der Besucher findet Veröffentlichungen ihrer ersten Gedichte in Berliner Zeitungen, ebenso eine Schmähschrift der Nazis: “Verbieten, Verbieten, Verbieten”. Ausgestellt ist ihr Tagebuch, das sie 1938 für ihren Sohn anlegt, und u.a. wichtige Aufzeichnungen über das Exil in Amerika enthält. Zu entdecken sind Originalbriefe von Albert Einstein, Hans Polgar und Thomas Mann, die diese kecke, ironische und doch so melancholische “Janus-Köpfigkeit” ihrer Dichtung sehr bewundern. Amüsant ist auch der vierseitige Brief Kalékos an den neuen Lektor des Rowohlt-Verlages, Wolfgang Weyrauch. Es geht um die Veröffentlichung ihrer in den USA geschriebenen Gedichte “Verse für Zeitgenossen”. Kämpferisch und mit Ironie verteidigt sie ihre dichterische Freiheit gegen die von Weyrauch aufgestellte Mängelliste in Reim und Rhythmus. Sie listet eine wunderschöne Kette von Unvollkommenheiten bei Goethe, Heine bis Ringelnatz auf.

Einzusehen sind die Protokolle aus ihrer Auseinandersetzung mit der Akademie der Künste in Berlin, die Kaléko 1959 für den Fontane-Preis vorschlägt. Doch sie lehnt schließlich den für sie sehr wichtigen Preis ab, da ein Jurymitglied, Hans Egon Holthusen, Direktor der Sektion für Dichtung, in der SS war.

Nachempfunden ist in einem kleinen Raum die Atmosphäre des Romanischen Cafes, in der sich Mascha Kaléko mit der künstlerischen Avantgarde im Berlin der 20er Jahre traf. Hier werden Gedichte und Chansons von ihr eingespielt.

Wichtiger Teil der Ausstellung ist auch der Film “Zur Heimat erkor ich mir die Liebe” (ZDF, 1985), produziert von Peter Bermbach und Horst Krüger. Der Schriftsteller und Journalist, Horst Krüger, hatte im September 1974 Mascha Kaléko anläßlich der Lesung zum zwanzigjährigen Bestehen der Amerika Gedenkbiliothek kennengelernt. Er verbrachte einige Tage mit ihr in Berlin und versuchte sie zur Rückkehr nach Berlin zu bewegen. Doch der Magenkrebs hatte ihr schon die dafür nötige Kraft geraubt. Am 21. Januar 1975 starb sie in einem Züricher Krankenhaus. 10 Jahre später produzierte er für das ZDF dieses sehr einfühlsame Fersehportrait der Künstlerin.

Am 23. Januar wird sie auf dem Israelitischen Friedhof Friesenberg in Zürich beigesetzt.

Am Ende des Rundganges durch die Ausstellung im Literaturhaus findet sich eine kleine Notiz von Mascha Kaléko aus ihrem Nachlass, in der sie mit den Zeilen endet:

"....Die ganz privaten Lebensdaten,

Wird Euch ihr Grabstein einst verraten.

Doch mögt ihr, wollt ihr sie beschenken,

Am siebten Juni an sie denken.”

Die Ausstellung über Mascha Kaléko ist noch bis zum 20. Januar im Literaturhaus,
Berlin-Charlottenburg, Fasanstraße 23 zu sehen.
Tel. 030/ 887 286 –0,
Email: literaturhaus@berlin.de
www.literaturhaus-berlin.de


Geschrieben von Renate Müller de Paoli
Mittwoch, 12. Dezember 2007

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